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 E & BJ Capper Nagold 2005

 

20.5. - 22.5.2005

Andorra

Fürstentum in den Pyrenäen

Principality in the Pyrenees

Anklicken zum Vergrößern / Click for larger picture. Unterwegs nach Andorra/ On the way to Andorra Panorama 5.2005

Von Lleida führt eine schöne Straße gen Norden in die spanischen Pyrenäen hinein, die sich jedoch mehr und mehr in eine Endlos-Baustelle verwandelt.
Das hat gute Gründe. Das Fürstentum Andorra, dem wir uns nähern, ist eine Steueroase, d.h. die 65000 Bergler zahlen keine direkten Steuern. Dies hat auch der Rest der Welt erfahren, und so fallen jährlich 10 Millionen Touristen in Andorra ein, um sich günstige Waren in einem der über 4800 Geschäfte zu besorgen.
 Kein Wunder, dass die einzige Einfallstraße von Spanien dringendst zweispurig ausgebaut werden muss.

A fine scenic road leads up northwards from Lleida into the Pyrenees, but slowly changes into seemingly unending road works.
There is good reason for this. The Principality of Andorra that were headed for is a tax oasis in which the 65000 inhabitants are subjected to very limited  direct taxes. The rest of the world has now heard about this and every year 10 million tourists come and take advantage of the reduced-price goods in the over 4800 businesses.
Theres no wonder that the single access road from the   Spanish side needs widening!

 

 

 

Die Hauptstadt Andorra la Vella liegt in einem tief eingeschnittenen Tal, umgeben von bis zu 3000m hohen Bergen. Sie sieht aus, wie eine Stadt unter solchen Bedingungen wohl aussehen muss: wie eine riesige Einkaufsmeile mit unzählbaren Baustellen und einem, besonders am Wochenende, unbeschreiblichen Verkehrschaos.
Doch das Einkaufsparadies ist nicht das Ziel unseres Aufenthalts. Dank der ausführlichen UNESCO-Internetseite haben wir von einem neuen Weltkulturerbe in diesem winzigen Land gehört. Es soll sich um eine uralte Bergkulturlandschaft handeln, die 2004 in die Liste aufgenommen wurde, genauer gesagt um einen Teil des Naturparks d'Escaldes-Engordany, der drei Flusstäler umfasst: das Madriu-, Perafita- und Claror-Tal.
Der Rezeptionist am Campingplatz in La Vella ist begeistert, dass wir uns für den Naturpark und nicht fürs Shoppen interessieren und weist uns den Einstiegsweg zum Welterbe-Tal, den wir ohne seine Hilfe kaum gefunden hätten.
Oberhalb des Ortsteils Engordany geht in einer scharfen Kurve bei Escaldes ein schmaler Fußweg ab. Obiges Panorama ist in der Nähe dieser Stelle aufgenommen.

The capital town Andorra La Vella lies in a deeply-cut valley surrounded by mountains up to 3000m. It looks as a town must look under such circumstances, like an enormous shopping area with countless building sites and road works and - particularly at the weekend - indescribable traffic chaos.
But shopping is not the aim of our visit. Thanks to the extensive UNESCO web pages, we have heard of the new World Heritage listed site in this tiny country. It is an ancient cultivated area in the mountains which was added to the Heritage list in 2004. It is part of the d'Escaldes-Engordany national park including the three river valleys, the Madriu, Perafita and Claror valleys.
The receptionist at the La Valla camping site is pleased that were interested in visiting the national park rather than just shopping and explains carefully how to find the way to get to the World Heritage area, which we otherwise would probably not have discovered. Above the small district of Engordany on a narrow road with a sharp curve near Escaldes an even narrower footpath leads off up the hill. Parking space is extemely limited.

 

 

 

Das Holzschild neben der schmalen Bergstraße ist der einzige Hinweis auf das Weltkulturerbe. Entremesaigües und Ramio sind zwei winzige Dörfer im Madriu-Tal, während "Cami de la Muntanya" den Weg durch die Berge bezeichnet.

The wooden sign near the narrow mountain path is the only visible indication of the World Heritage location. Entremesaigües and Ramio are two tiny villages in the  Madriu Valley and Cami de la Muntanya" means Mountain Path.

 

 

 

Es sieht nicht so aus, als führte der Weg in ein Tal, es geht steil bergauf. Ich bekomme langsam Zweifel, ob ein Aufstieg bei 30 Grad Außentemperatur ratsam ist und ob das Ziel dies wert ist.
Doch ich lasse mich dazu überreden, meine Wanderstiefel anzuziehen (sehr ratsam!) und setze langsam einen Fuß vor den anderen.
Wir können sehen, dass der mit riesigen Steinen gepflasterte Weg uralt sein muss und sich wunderschön in die Landschaft einfügt.

The path leads off up the mountain fairly steeply and the 30° temperature makes us particularly conscious of the climb. Is the destination worth it?
Anyway we put on our walking boots (very advisable) and set off.
The ancient path with its large worn stones merges well into the landscape.

 

 

 

 

 

Der beharrlich steile Pfad folgt konsequent dem Flüsschen Madriu. Ab und zu quert er ihn mit einer schönen alten Steinbrücke.

The path follows the little Madriu river closely, occasional crossing it over picturesque stone bridges.

 

 

 

 

 

Wir sind jetzt schon ordentlich gestiegen und werfen einen Blick zurück Richtung La Vella. Die Ausläufer der Stadt sind noch am gegenüberliegenden Hang zu erkennen.
Trotzdem will sich uns noch nicht so recht erschließen, was an diesem zweifellos reizvollen Gebiet welterbewürdig sein soll. Was uns auffällt, ist die zunehmende Anzahl von Trockenmauern, die unseren Weg begleiten und die Erde derart abstützen, dass auf mehreren Stufen kleine ebene Flächen zur Bewirtschaftung geschaffen werden konnten.

Weve now climbed quite a while and look back towards La Valla for a breather. From here we can still just see the edge of the town on the distant slope.
It is still not clear why this doubtless charming area should have been given the status of World Cultural Heritage, but we do notice the increasing number of dry stone walls following the path and shoring up small terraces of cultivatable ground.

 

 

 

Auf diesen frischgrünen Wiesen wachsen wild ganze Bündel winziger Narzissen. Das Tal ist aufgrund seiner speziellen Ost-Westausrichtung und der enorm differierenden Höhe von  1055 bis 2905m gesegnet mit einem äußerst vielfältigen Klima, das den großen Artenreichtum in der Tier- und Pflanzenwelt förderte.

On these little fresh green meadows large groups of small Narcissi are in flower. Because of the east-west orientation and the extreme height difference from 1055 up to 2905m within the valley, it has a very varied local climate which support a rich diversity of plant and animal life.

 

 

 

 

 

Nach ungefähr 300 Höhenmetern Aufstieg stoßen wir auf eine kleine Ansammlung von Häusern; es handelt sich um den Ort Entremesaigües. Die Häuser sind in gutem Zustand und vorzüglich in das abfallende Gelände eingepasst. Die Fenster sind winzig und vergittert, die Mauern massiv. Kein Strommast stört das Bild. Es scheint hier keinen Strom zu geben.

After climbing up about 300m in altitude we reach a small group of houses which make up the village of Entremesaigües. The houses look in good condition and and are built snugly into the slope. The tiny windows are barred and the walls look very massive. There are no electric or telephone cables to spoil the effect.

 

 

 

Anklicken zum Vergrößern / Click for larger picture. Entremesaigües, Andorra Panorama 5.2005

Dieses Steinhaus liegt auf der anderen Seite des Weges, hinter ihm rauscht der Madriu ins Tal. Bei einer Brücke fließt der Perafita-Claror-Fluß in den Madriu hinein.
Wie die ebene Flächen schaffenden Trockenmauern weist auch die Bewaldung auf ein Jahrhunderte währendes, jedoch schonendes Eingreifen des Menschen in die Natur hin. Die hellgrünen Birken haben sich zugunsten der Holzwirtschaft mit den Menschen hier vermehrt und die Kiefernwälder zurückgedrängt.

This stone house stands on the other side of the path. Behind it the Madriu rushes down into the valley and at a stone bridge is joined by the river from the Perafita and Claror valleys.
Both the dry stone walls used to create level terraces and the species of trees witness to centuries of sparing human intervention. Forestry has encouraged light  green birches in preference to pine woods. 

 

 

 

Natürlich lieben die Eidechsen die unzähligen Mauern, wir können eine große Anzahl beobachten.
Diese hier irritiere ich mit meiner Kamera, sie hält jedoch still, um den noch zappelnden Käfer nicht zu verlieren. Als ich ihr zu sehr auf die Schuppen rücke, versucht sie mit Beute zu entkommen, doch sie verliert den Käfer, der sich auch keiner guten Gesundheit mehr erfreuen dürfte. Später sehen wir die Eidechse zwischen den Steinen nach der verlorenen Beute suchen.

The countless stone walls are a paradise for lizards.
This one seems to be suspicious that Elli plus camera want to steal his tasty meal, but is worried about losing grip on the wriggling insect. This he actually did when she came too close and we saw him later searching between the stones for his escaped but doubtless wounded prey.

 

 

 

Eigentlich bin ich der Meinung, dass wir in Anbetracht der Hitze und des steilen Pfads genug gesehen haben, doch hinter dem Ort steht ein Wegweiser, der 20 Minuten Wegstrecke nach Ramio angibt. Obwohl ich aus Erfahrung weiß, dass ich solche Zeitangaben mindestens verdoppeln muss, ist unsere Neugierde geweckt, und nach einer Dreiviertel Stunde erreichen wir in einem sich weitenden Tal auf 1610m Höhe die ersten Gehöfte des Ortes.

In the heat and on the steep path Elli thinks that we have now seen enough, but beyond the village is a sign saying that Ramio is only 20 min further on. We take it gently and after 45 min the valley widens out and we reach the first of the villages farms at an altitude of 1610m.

 

 

 

Das von einem Gletscher der letzten Eiszeit geformte Tal des Madriu, eigentlich ein riesiges Wassersammelbecken, das abgeschliffene, runde Berg- und Felsformationen aufweist, weitet sich bei Ramio und schafft Platz für eine kleine Ansammlung alter Häuser, Ställe oder Scheunen, die alle von mächtigen Trockenmauern geschützt werden. Auch wenn manche etwas bröckeln, die meisten Gebäude und Mauern befinden sich in einem ausgezeichneten Zustand.
Gelblich-grüne Flechten wachsen auf den alten Steinen. Vor Jahren benützte man die Flechten dieses Gebiets bei wissenschaftlichen Untersuchungen, um den Beginn der letzten kleinen Eiszeit zu datieren.

The Madriu valley was formed by a glacier during the last ice age. There are water-eroded rocky formations in the valley which widens out giving room for a small collection of old houses, stalls and sheds all protected by massive dry stone walls. Despite their worn appearance the buildings all seem in good condition.
Yellowy-green lichens grow on the old stones. Years ago the lichens in this area were used in a scientific study to date the start of the last ice age. 

 

 

 

Über viele Jahrhunderte lebten Menschen in diesen Häusern und prägten ihre Umwelt. Heute scheinen sie verlassen und verriegelt, wir wissen nicht, ob sie im Sommer bewohnt werden noch wozu sie dienten.
Es fällt auf, wie winzig die Fenster sind. Die langen Winter auf dieser Höhe müssen bitterkalt sein.

For centuries people lived in these houses and made their mark on their environment. Today they look closed up and abandoned. We dont know if maybe they are used during the summer and then for what.
The windows are tiny, presumably because at this altitude the long winters are bitterly cold.

 

 

 

Dies ist mit Sicherheit das einsamste und verborgenste Weltkulturerbe, das wir auf unserer gesamten Rundfahrt entdecken durften. Keine Schautafeln, keine Wasserleitungen, keine Strommasten stören die wunderbare Harmonie dieses Ortes. Und außer uns beiden auch kein anderer Mensch.

This is by far the loneliest and most hidden World Heritage site that we have discovered on our whole tour. There are no explanatory signs and no water pipes, cables or souvenir shops to disturb the harmony. And no other visitors here either, although we saw one or two other hikers on the path.

 

 

 

Hier sieht man den tief in den Boden eingelassenen Eingang des Hauses vom Bild darüber. Natürlich würden wir gern einen Blick ins Innere werfen, um ein Gefühl vom Leben innerhalb dieser fast fensterlosen Häuser zu erhaschen. Auf der Internetseite dieses Welterbes (link auf Englisch) werden geführte Wanderungen angekündigt, die sicher manche Erklärung geben oder Einblicke ermöglichen werden.

This house entrance is well below ground-level. It would have been interesting to get a glimpse inside to gain an idea of what living conditions would have been like inside the almost windowless houses. On the web page of this World Heritage location (link) guided tours are described. These doubtlessly give explanations and insights that we unfortunately didnt get.

 

 

 

Doch so dürfen wir unserer Phantasie freien Lauf lassen und uns vorstellen, wie die Menschen über 700 Jahre die Landschaft formten und von ihr geformt wurden. Wie Wälder Feldern weichen mussten und riesige bogenförmige Steinmauern aufgeschichtet wurden, um die Äcker oder Weideflächen zu terrassieren.
All dies ist auch deshalb so gut erhalten, weil dieses Land Jahrhunderte lang keinen Krieg erleben musste.

So we were able to use our imagination to think about how people would have lived here over a period of more than 700 years, forming their surroundings and being formed by them. How fields were won from the woods and how massive walls were erected to create the terraced meadows for cultivation or for grazing.

 

 

 

Anklicken zum Vergrößern / Click for larger picture. Ramio, Andorra Panorama 5.2005

Der Ort Ramio von weiter oben betrachtet. Die großen Terrassen reichen bis an die Hänge und grenzen hinter den Häusern an das Bachbett des Madriu. 1930 wurde der Fluss weiter oben gestaut, um die Wasserkraft hydroelektrisch zu nutzen (es werden ca. 11% des gesamten in Andorra hergestellten Stroms gewonnen) und das Gebiet unterhalb mit Trinkwasser zu versorgen (liefert ca. 20% der andorranischen Trinkwassers). Auch dieser Aspekt der Nutzung der Wasserkraft in jüngerer Zeit wird in der Begründung der Einmaligkeit und historischen Authentizität dieser Stätte von der Welterbe-Kommission erwähnt.

Ramio seen from higher up. The large terraces reach up to the steeper slopes and  - behind the houses - to the course of the Madriu. In 1930 the river was dammed higher up to provide about 11% of the  hydroelectric power and 20% of the drinking water of Andorra. These aspects of water use in recent times are also used to demonstrate uniqueness and historic authenticity justifying classification as World Cultural Heritage.

 

 

 

Wie das Wasser zu viel älteren Zeiten genutzt wurde, sieht man auf diesem Bild. Durch große Steinblöcke begrenzte, altertümliche Kanäle nehmen Wasser aus dem Fluss auf und führen es dem Ort zu.

This picture shows how water was guided from the river to the settlement in an old, soundly-built canal bordered by large stones.

 

 

 

Einige Häuser weisen eine eigenartige, mittig abgehackte Form auf, die verblüffend modern wirkt.

Some of the houses have a rather surprisingly modern  cut-in-half look.

 

 

 

Anklicken zum Vergrößern / Click for larger picture. Ramio, Andorra Panorama 5.2005

Mit einem letzten Blick zurück auf dieses reizvolle Dorf und Tal, die sicherlich alle Mühen des Aufstiegs wert sind, treten wir unseren Heimweg an.

After a last look back at the charming little village and idyllic valley, certainly well-worth the effort of reaching them, we set off home again.

 

 

 

Die tiefen Sonnenstrahlen bringen das Grün um den kleinen Hof in Entremesaigües regelrecht zum Glühen, zum Leuchten.

The low sun-rays of the approaching evening give a special glowing quality to the green of the trees surrounding this small farmstead in Entremesaigües.

 

 

 

Dieser archaische Weg, der "Cami de la Muntanya", ist es, der all die verschiedenen Aspekte und Stationen dieser faszinierenden Kulturlandschaft verbindet und erschließt. Deshalb stellt er selbst einen ganz bedeutsamen Teil dieser Welterbestätte dar. Er lädt dazu ein, ihn fast meditativ, die Anpassungsfähigkeit und Gestaltungskraft vieler verflossener Generationen erahnend und achtend, zu begehen.

The archaic and well-worn mountain path, the "Cami de la Muntanya" now on the way down, is what binds the various aspects and locations of this fascinating cultural landscape together and itself forms a significant part of the Cultural Heritage.

Although we only managed to walk part of it and to see only part of the Heritage area we found it a valuable and interesting experience.

 

 

 

 

 

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